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Europa lokal - Helmut Scholz im Bürger*innengespräch

Die Ortsverbände der LINKEN in Woltersdorf, Rüdersdorf und Schöneiche hatten Helmut Scholz eingeladen, um mit ihm über Europapolitik zu diskutieren und um von ihm einen aktuellen Stand über die Themen auf der politischen Agenda zu erhalten.

Praktisch tagesaktuell konnte dann zum Einstieg gleich mit dem Brexit begonnen werden. Die Verhandlungen starten in der kommenden Woche und bis heute war nichts von den Positionen der britischen Premierministerin May bekannt. Wird nun ein harter oder weicher Brexit von der britischen Regierung angestrebt? May hat das Problem, dass sie nach den jüngsten Wahlen geschwächt ist, Oppositionsführer Corbyn und allgemein die Opposition ist massiv gestärkt aus den Unterhauswahlen hervorgegangen und befindet sich weiter im Umfrageaufwind.

Die EU-Position indes ist klar, so Helmut Scholz: Die sozialen Standards für EU-BürgerInnen in Großbritannien (GB) sind nicht verhandelbar. Ein Problem mit vielen Fragezeichen ist der Finanzausgleich: Was muss GB noch in den EU-Topf einzahlen, bekommt es etwas wieder heraus? Verhandlungsposition ist auch das zukünftige Verhältnis zwischen EU und GB. Isoliert sich GB vollkommen, nimmt es eine vergleichbare Assoziierung zur EU wie Norwegen vor? Und all diese "Trennungsfragen" müssen eigentlich schon bis zum Ende des Jahres 2017 geklärt sein, da schließlich danach noch das zukünftige Verhältnis EU-GB verhandelt werden muss. Diese Ergebnisse müssen wiederum allen verbleibenden EU-Nationalstaaten zur Abstimmung vorgelegt werden. Dieser Zeitdruck ist u.a. dem geschuldet, da gemäß den Europäischen Verträgen für Austrittsverhandlungen nur zwei Jahre vorgesehen sind. Zum anderen soll aber auch im Frühjahr 2019 ein neues EU-Parlament (EP) gewählt werden. Und spätestens hierfür muss klar sein, was mit den aktuell 76 EU-Parlamentssitzen für GB passiert. Wählt GB noch einmal das EP mit, werden die GB-Sitze eingespart oder unter den verbleibenden 27 EU-Staaten aufgeteilt? Fragen über Fragen ...

Helmut Scholz informierte auch darüber, dass die GUE/NGL-Fraktion, zu der die deutschen LINKE gehört, sich bisher als einzige EP-Fraktion mit vom Brexit-Betroffenen getroffen hat und Optionen für eigene Positionen in den Brexit-Verhandlungen sucht. Die Linke muss hier noch viel mehr informieren und auch den BürgerInnen Antworten geben können.

Im weiteren Gresprächsverlauf ging der EU-Abgeordnete noch auf das aktuell die Medien beschäftigende Freihandelsabkommen mit Japan ein und berichtete ebenso über den derzeitigen Stand der Assoziierung mit der Ukraine.

In der Diskussion schließlich waren die Fragen vielfältig. Welchen Einfluss hat das EP auf die EU-Kommission? Hier machte Helmut Scholz klar, dass das EP bei weitem kein "zahnloser Tiger" ist. Das EP ist mit seinen Mitgliedern das Sprachrohr der öffentlichen Debatte, die Abgeordneten aus den EU-Mitgliedsstaaten bringen natürlich auch jeweils nationalen Input in die Debatte ein. Alle EU-Verordnungen und Richtlinien gehen durch das EP. Und nicht zuletzt die Ablehnung von zwei Freihandelsabkommen in der Vergangenheit hat die Kommission aufgeschreckt und die Macht des EP gestärkt. Nichtsdestotrotz ist eine zentrale Forderung der LINKEN klar: Das EP benötigt endlich ein Initiativrecht, um selbst gesetzgeberisch aktiv werden zu können. Bisher kann es sich nur mit ihm vorgelegten Dokumenten befassen.

Gefragt nach weiteren EU-Beitritten machte Helmut Scholz klar, dass einige weitere Staaten an die Tür der EU klopfen. Teilweise haben sich diese Länder schon in ihren nationalen Gesetzen sehr intensiv an das EU-Recht angepasst, von der Ausrichtigung ihrer wirtschaftlichen Beziehungen hin zur EU ganz zu schweigen. Der für Beitrittsverhandlungen zuständige EU-Kommissar hat aber erklärt, dass es bis mindestens 2019 keine weiteren Beitritte geben wird. Mit Blick auf die ungeklärten Verhältnisse einiger schon jetzt Mitglieder zur EU ist dies wohl sinnvoll, so Scholz. Verstehen doch schon heute einige Mitgliedsstaaten die EU nur als Geldgeber und Förderer der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung. Dass die EU aber auch eine Wertegemeinschaft mit einzuhaltenden Gesetzen und Normen ist, wird gern ausgeblendet und als Einmischung in die nationale Souveränität gewertet.

Einen schönen Abschluss bildete die letzte Frage: Wen interessiert die EU überhaupt und wer versteht all deren Themen, wie dringt DIE LINKE hier zu den BürgerInnen durch? Hier wusste Helmut Scholz eine kurze aber bei weitem nicht einfach umzusetzende Lösung: Linke Politik muss spannend sein, Mut machen und Interesse wecken. Die Leute muss man mitnehmen, nicht nur ihnen was als Lösung vorsetzen. So wahr ...